Stadtplanung: dringend umsteuern!
Nachhaltige Stadtentwicklung – Lebensräume für die Zukunft
Der Hauptreferent des Abends, Prof. Wolfgang Schuster, früherer Oberbürgermeister von Stuttgart, beschrieb die aktuelle Situation. Unsere größte Herausforderung ist der Klimawandel, der sich bei uns in zunehmenden Hitzetagen und schlechten Ernteerträgen zeigt, im globalen Süden (z.B. aktuell in Pakistan) aber viel brutaler zuschlägt und die Menschen um ihre Existenz oder sogar ums Leben bringt. Die Zunahme der Weltbevölkerung um 2 Mrd. bis 2030 wird dies noch massiv verschärfen. Für Nürnberg plädierte er dafür, Kaltluftschneisen unbedingt zu erhalten und zu fragen, ob das, was wir 2006 bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans beschlossen haben, noch haltbar ist. Sollen z.B. landwirtschaftliche Flächen wie in Wetzendorf wirklich noch überbaut werden? Sollte nicht vielmehr überlegt werden, auch mit innovativen Ansätzen, wo man im Bestand etwas machen kann? Angesichts des rapiden Klimawandels sollten wir äußerst vorsichtig mit der Neuversiegelung von Flächen umgehen. Allerdings braucht es auch gesetzliche Vorgaben (EU-Taxonomie) für diesen Prozess und wir müssen die BürgerInnen mitnehmen.
Nürnberg 2050 – wie wollen wir in Zukunft leben, wohnen und arbeiten?
Bei der Podiumsdiskussion waren namhafte ExpertInnen vertreten; sie kann hier nur zusammenfassend wiedergegeben werden. Der Moderator, Herr Alexander Jungkunz, ist Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten. Er begann mit der Feststellung, dass wir doch alle wissen, dass zu viele Flächen versiegelt werden. Prof. Lydia Haack, die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, vertrat die Meinung, dass wir von einer Neubau- zur Umbaukultur steuern müssen und das Recycling von Gebäuden und Flächen verstärken müssen. Bauen sollte zukünftig im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft stattfinden. Sie bemängelte, dass Bayern noch nicht mal eine Baustoffbörse unterhält, wie es andere Bundesländer schon tun. Siegfried Dengler, Leiter des Nürnberger Stadtplanungsamts, merkte an, dass die Gesetzeslage für Umbau und Recycling wenig Handlungsmöglichkeiten bietet. Es gibt z.B. keine Handhabe, zu verhindern, dass Bestandsgebäude abgerissen werden. Er verteidigte Nürnbergs Stadtplanung und wies darauf hin, dass urbane Gebiete (dichtes Bauen) zuerst in Nürnberg umgesetzt wurden. Außerdem entscheide der Stadtrat über die Bebauung von Wetzendorf und nicht die Verwaltung. Er lobte die städtische WBG für bezahlbaren Wohnraum und plädierte für mehr genossenschaftliches Bauen. Ein großes Problem sei, dass sich die Wohnfläche per Person verdreifacht hat.
Dr. Günther Beckstein, früherer Innenminister und im Aufsichtsrat mehrer Wohnungsbauunternehmen, räumte ein, dass früher zu wenig auf Natur und ökologische Aspekte geachtet wurde. Sanierungen seien heute aber sehr teuer. Mehr Wohnungen werden gebraucht. Er erwartet zusätzliche EinwohnerInnen durch den Bau der Universität an der Brunecker Straße. Die Grundstückspreise seien extrem gestiegen, die Baukosten nicht mehr kalkulierbar. Er konstatierte ein Versagen der Politik. Klaus-Peter Murawski, Vorsitzender des BUND Naturschutz Nürnberg, von 1992 bis 1996 Bürgermeister in Nürnberg, 1996 bis 2018 rechte Hand von Ministerpräsident Kretschmann und Staatsminister (BaWü): Das Baugesetzbuch ignoriert Veränderungen wie den Klimawandel, aber auch die kommunale Ebene muss umsteuern. 40 % der CO2-Emissionen kommen aus der Baustoffindustrie (Ressourcen Sand, Beton). Wir leben von einem Massenverbrauch der wichtigsten Güter; das führt ins Desaster, wenn wir nicht umsteuern. Es gibt immer mehr Hitzeinseln, wir brauchen den Vorrang für Grün-/Kühlflächen, Bäume und Kaltluftschneisen.
Dr. Wolfgang Schuster stellte die Frage, ob die bestehenden Gesetze ausreichen. Er konnte nur mit viel Mühe in Stuttgart die Überbauung eines Einkaufsmarkts mit Wohnungen durchsetzen. Viele Planungsprozesse müssten strenger (im Hinblick auf Ressoucenverbrauch) angeschaut werden. Eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum folgte.
Wir können konstatieren, dass es ein großes Interesse in der Stadtgesellschaft gibt, diese Themen zu diskutieren. Sowohl Evangelische Akademie als auch BUND Naturschutz wollen sie weiter verfolgen. Interessant wäre, konkrete Beispiele aus Nürnberg oder anderen Städten, die Flächen- und Ressourcensparen umgesetzt haben, vorzustellen. Aber auch andere Ebenen, Bund und Land, müssen helfen und bessere Rahmenbedingungen für das Vermeiden von Flächenversiegelung schaffen.