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Ein Jahr Mobilitätsbeschluss – eine Bilanz

BUND Naturschutz fordert zügige und naturschutzverträgliche Umsetzung des Mobilitätsbeschlusses

Pressemitteilung vom 18. Januar 2022

Bereits ein Jahr ist es her, dass die Stadt Nürnberg am 27. Januar 2021, auf Drängen der Initiative Radentscheid Nürnberg und 26.000 Nürnbergerinnen und Nürnbergern, den Masterplan nachhaltige Mobilität oder auch „Mobilitätsbeschluss für Nürnberg“ beschlossen hat. Auch der BN als Bündnispartner der Initiative fordert die Mobilitätswende im Sinne des Mobilitätsbeschlusses ein. Mobilitätswende ist Naturschutz!

Trotz erster Anfangserfolge droht der Schwung der Aufbruchsstimmung bereits jetzt abzuebben. Man könnte argumentieren, ein Jahr wäre in der Verkehrs- und Stadtplanung noch kein allzu aussagekräftiger Zeitraum, zumal unter den Bedingungen der derzeit angespannten Haushaltslage. Die überwältigende Unterstützung des Bürgerbegehrens lässt jedoch keinen Interpretationsspielraum hinsichtlich der Dringlichkeit der Mobilitätswende zu. Die Stadt Nürnberg hat sich mit dem Mobilitätsbeschluss dazu verpflichtet, signifikante Verbesserungen nicht nur für den Radverkehr, sondern auch für den Fußverkehr und den Öffentlichen Nahverkehr zu realisieren.

Welche Bilanz lässt sich also für dieses erste Jahr ziehen?

Allein dass der BN, wie auch andere Bündnispartner, Bilanz ziehen muss, zeigt bereits das erste große Versäumnis bei der Umsetzung des Mobilitätsbeschlusses auf. Dieser beinhaltete, die Stadtverwaltung sollte „2021 ein geeignetes Reporting-System vorstellen, das sicherstellt, dass die Inhalte des Mobilitätsbeschlusses umgesetzt werden“.

Selbst unter der Annahme, dass die vertraulichen Diskussionen beim Runden Tisch Radverkehr – das seit 2015 bestehende Gremium von Vertretern der Stadtverwaltung, Parteien und Interessengruppen – das Reporting für den Radverkehr übernehmen sollen, so fehlt das erforderliche Reporting ganz klar für die anderen Teilnehmer des Umweltverbunds, insbesondere den Fußverkehr.

Von vornherein wurden der Verwaltung für das Jahr 2021 niedrigschwellige Ziele vorgeschlagen, die im Mobilitätsbeschluss übernommen wurden, um frühzeitig sichtbare Erfolge möglich zu machen, die in einem überschaubaren Zeitrahmen und ohne maßgeblichen Ressourcenaufwand hätten umsetzbar sein sollen. Gleichwohl zeichnen sich bereits erste Mängel ab:

  • Es ist entgegen der Ankündigung kein Modellstadtteil für gesteigerte Fußgängerfreundlichkeit definiert worden. Entsprechende Maßnahmen für diesen Stadtteil hätten bereits 2021 definiert und bis 2024 umgesetzt werden sollen. Demnach ist schon dieser Zeitplan des Auftakts für „Fußgängerfreundliche Stadtteile“ erheblich im Verzug. Dabei würde gerade dieses Projekt die Signalwirkung haben, dass die Stadtverwaltung ernsthafte Schritte unternimmt, um die Lebensqualität in den Stadtteilen zu verbessern.
  • Ferner wurde im Mobilitätsbeschluss ausdrücklich ein prioritärer Winterdienst für Radverkehrsinfrastruktur vereinbart. Der Winter 2020/2021 hatte überraschenderweise ausreichend Schnee, um die Defizite auf diesem Gebiet sicht- und spürbar zu machen. Beim Wintereinbruch im Dezember 2021 ließen sich noch keine deutlichen Verbesserungen erkennen.
  • Auch dass die vereinbarte Einrichtung der Zählstellen ausbleibt, beschädigt sicher kein Kernziel der Mobilitätswende, wäre aber trotzdem ein Zeichen für eine verlässliche Umsetzung des Mobilitätsbeschlusses gewesen. So bleiben Zweifel, inwiefern die Zusagen bei anderen, übergeordneten und wesentlich wichtigeren Zielen glaubwürdig bleiben, wie zum Beispiel ein durchgehendes Radnetz, verstärkte Parkraumüberwachung oder mehr Platz für Grün im öffentlichen Raum.

Auch positive Entwicklungen wollen wir nicht unerwähnt lassen, wie die bereits beschlossenen Planungen in der Bayreuther Straße und die vorgelegten Planungen in der Ostendstraße (wir berichteten). Auch an den für Nürnberger Verhältnisse großzügig bemessenen (wenn auch leider wieder nicht durchgängigen) Radstreifen der Pillenreuther Straße und zusätzlichen Fahrradständern in der Innenstadt lässt sich guter Wille erkennen.

Jetzt gilt es, die Maßnahmen im Jahr 2022 umso konsequenter umzusetzen

Gerade kostengünstige Maßnahmen wie eine durchgängige Freigabe der Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer oder die Fortsetzung der Errichtung von Modalen Filtern (z.B. Pollern wie am Hummelsteiner Weg) in Fahrradstraßen sollten 2022 fällig sein. Mit besonders großem Interesse blicken wir als Naturschutzverband der im Mobilitätsbeschluss angekündigten Liste der Verwaltung im ersten Halbjahr 2022 entgegen, mit der „die Neuordnung des Parkens zugunsten von mehr Platz für Grün und Zufußgehende auf den Gehwegen eine zentrale Rolle spielen“ soll. Ebenso bleiben 2022 wichtige Weichen für die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses zur Einführung eines 365-€-Tickets im Jahr 2023 zu stellen, um den ÖPNV attraktiver zu machen.

Wenn trotzdem Ziele wie etwa der Ausbau an Fahrradstraßen wegen der angespannten Haushaltslage oder unvorhergesehener Umsetzungsprobleme nicht erreichbar ist, muss rechtzeitig gegengesteuert werden, damit das Gesamtziel des Mobilitätsbeschlusses erreichbar bleibt. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Ziele des Mobilitätsbeschlusses bis 2030 sowohl in finanzieller, in personeller als auch in Flächenbedarfshinsicht mit dem Ausbau des Frankenschnellwegs und der damit zementierten autogerechten Stadt vereinbar sind. 

Als Naturschutzverband mahnen wir an, dass das übergeordnete Ziel der Anpassung des öffentlichen Raums an den Klimawandel auch bei der Routenwahl der Radvorrangrouten konsequent berücksichtigt wird. Durch Ermöglichung attraktiver und sicherer Mobilität außerhalb des Autos in Nürnberg und Umgebung soll im Ergebnis Verkehrsfläche eingespart und entsiegelt werden können, um die Resilienz der Stadt gegen die zunehmende Erhitzung zu erhöhen. Zusätzlich werden damit Räume zur Nutzung und Gestaltung für alle Nürnbergerinnen und Nürnberger frei, die die Lebensqualität in der Stadt erhöhen.


Pressemitteilung als PDF zum Download

Ein Jahr Mobilitätsbeschluss – eine Bilanz