Es war einmal … ein Reichswald
U-Bahn, Hochwasserdamm, Gewerbegebiete und Nordanbindung: Was kommt als nächstes? Fest steht, der Reichswald, oder das, was von ihm übrig ist, wird zunehmend kleiner. Dabei stellt der Reichwald als einzige „grüne Lunge“ der Stadt Nürnberg das wichtigste Naherholungsgebiet dar; für viele einheimische Tiere ist dieses stadtnahe Biotop das letzte Rückzugsgebiet.
Umso schlimmer erscheint die Tatsache, dass sich seit geraumer Zeit nichts an der Lage bessert. 1977 verfasste Prof. Dr. Gottfried Müller zusammen mit zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeitern ein „wissenschaftliches Gutachten zu ökologischen Planungsgrundlagen im Verdichtungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach“. Hierbei handelt es sich um umweltverträgliche Aspekte, die bei der Planung von neuen Bauwerken bedacht werden müssen. Schon damals war den Gutachtern klar, dass der Reichswald besonders geschützt werden muss, da er sonst immer mehr zerstückelt wird. Ihre Befürchtungen haben sich bewahrheitet, ihre Appelle haben allerdings kaum Ohren gefunden.
Die Waldflächenentwicklung zeigte schon in den 60er Jahren eine deutlich abnehmende Tendenz. In den Jahren 1961 bis 1972 verhielt sich die Fläche der Waldrodung zur Fläche der Aufforstung in einem Teil des Sebalder Reichswaldes wie 12 zu 1! Die Waldfläche je Einwohner lag im Untersuchungsgebiet deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Es ist in etwa vorstellbar, inwieweit sich diese erschreckende Tatsache in den letzten 40 Jahren noch verschlimmert hat.
Dabei spielt der Nürnberger Reichswald damals wie heute eine unglaublich wichtige Rolle als ökologisch-biologische Barriere, etwa als Lärmschutz, Windschutz, Erosionsschutz und zur Wasserrückhaltung. Intakte Wälder und Täler haben aber noch viele weitere positive Auswirkungen, zum Beispiel als Klimaausgleichsräume. Auch Professor Müller stellte die Schaffung solcher Räume als außerordentlich wichtige Aufgabe für die Zukunft dar, um die bestehende Belastungssituation ein wenig in den Griff zu bekommen. In größeren Städten kommt es sehr häufig zu Inversionswetterlagen (im Volksmund auch bekannt als Smog), was den vertikalen Luftaustausch verhindert und somit zur Folge hat, dass Schadstoffe in erhöhten Konzentrationen in der Luft bleiben und die Gesundheit schädigen können. So lagen schon im Zeitraum 1970/71 die Immissionswerte für Schwefeldioxid deutlich über dem Grenzwert. Schwefeldioxid entsteht bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und ist beispielsweise für den sauren Regen verantwortlich. Überhöhte Konzentrationen in der Luft führen beim Menschen zu Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schädigung der Bronchien. Um Immissionsgrenzwerte einhalten zu können, müssen solche Anreicherungen nach Möglichkeit vermieden werden. Wälder sind in diesem Zusammenhang natürlich immer ein unverzichtbarer Schutz.
Es zeigt sich, dass das Stadtgebiet Nürnberg ohnehin schon durch seine natürliche Lage und Anordnung in großem Maße beeinträchtigt wird. Eine zusätzliche Schädigung von wertvollen Gebieten ist somit natürlich nicht empfehlenswert. Auch das Gebiet, das vom Bau der Nordspange betroffen wäre, ist als besonders wertvoll und empfindlich einzustufen. Die Gutachter haben schon 1977 den Wald bei Buchenbühl als „ökologisch bedeutsamer Raum hoher Empfindlichkeit“ eingestuft, vor allem im Bereich der Lufterneuerung und des Luftaustausches. Außerdem beheimatet der Sebalder Reichswald auch wichtige Nistplätze verschiedener Vögel, wie des stark gefährdeten Auerhuhns.
Vielleicht sollten wir dem Appell von Professor Gottfried Müller etwas mehr Aufmerksamkeit schenken und uns vermehrt dafür einsetzen, dass die wenigen Flächen, die uns noch geblieben sind, auch angemessen geschützt werden.