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Schulstraßen – umweltfreundlich mobil von klein auf

Dieses Jahr kam mein Sohn in die Schule, für ihn begann ein neuer Lebensabschnitt – mehr Verantwortung, mehr Selbstständigkeit, neue Freunde und auch ein anderer Weg, um zur Friedrich-Wanderer-Schule zu gelangen.

21.10.2022

Hort und Kindergarten waren bisher immer in der näheren Umgebung, und bereits mit zwei Jahren lief oder fuhr er mit dem Laufrad selber in die Krippe. Er lernte früh das Radfahren, das er seitdem gerne nutzt. Hinzu kommen Roller und natürlich immer das Zufußgehen. So nutzten wir nie oder nur in den seltensten Fällen ein Auto, um den Weg in seine bisherigen Einrichtungen zurückzulegen.

Seine Freunde und Freundinnen aus der Siedlung, alle Erstklässler wie er, treffen sich und gehen gemeinsam mit zwei bis drei Eltern gemeinsam zur Schule. Im Siedlungsgebiet herrscht Tempo 30 und zu dieser Zeit sind wenig Autos unterwegs. Die Straße muss nur zweimal überquert werden. Bisher scheint alles in Ordnung zu sein, doch je näher man der Schule kommt, die in einer Sackgasse liegt, desto mehr nimmt der Verkehr zu. Sie ahnen wahrscheinlich schon, welcher Begriff jetzt fallen wird. Elterntaxis kommen hier zum Einsatz, der begrenzte Bereich vor der Schule gehört nicht den Kindern, sondern den Autos. Sie drängen in diesen engen Bereich, blockieren und behindern sich gegenseitig. Manchmal beschimpfen sich die Fahrenden und stellen sich freiwillig in den Stau, um ihr Kind im Halteverbot vor der Schule aussteigen zu lassen. Nur wenn die Polizei gerade anwesend ist (nur in den ersten ein bis zwei Wochen nach Schulbeginn), wird sich daran gehalten. Sowohl die Hinweise durch die Schule beim Elternabend als auch per Elternbrief, die Kinder z.B. am Großparkplatz in der Fürther Straße oder einige 100 Meter vor der Schule aussteigen zu lassen, werden ignoriert, ebenso wie Hinweise oder Bitten diesbezüglich vom Elternbeirat. Gerade wegen der gefährlichen Verkehrssituation entscheiden sich weitere Eltern, ihre Kinder mit dem Elterntaxi zu fahren, und der Teufelskreis dreht sich weiter.

Es stellt sich die Frage, wie dieser Teufelskreis wieder durchbrochen werden kann. Wien hat wegen der Verkehrsproblematik vor Schulen ein neues Konzept eingeführt: „Schulstraßen".

Was sind Schulstraßen?

Der Weg zur Schule soll sicherer und vom Individualverkehr befreit werden. Das bedeutet, dass die Straße unmittelbar vor der Schule, zu Schulbeginn und in manchen Fällen auch zum Schulschluss des jeweiligen Tages, für den Verkehr gesperrt ist. Für eine halbe Stunde von 7:30 bis 8:00 Uhr wird der Bereich zur Schulstraße umdefiniert, indem z.B. durch sichtbare Gitter der Verkehr am Weiterfahren gehindert wird. Entsprechende Verkehrszeichen werden an der Straße angebracht, die auf die temporäre Sperrung hinweisen.

Das Konzept verhindert, dass es ausgerechnet vor der Schule zu einem Verkehrschaos kommt, da es den Eltern nun nicht mehr möglich ist, ihr Kind bis zum Gebäude zu fahren. Aufgrund der positiven Erfahrungen wird das Konzept in Wien laufend auf weitere Schulen ausgeweitet.

Was macht Nürnberg für sichere Schulwege?

Die Stadt Nürnberg hat im Juli 2022 im Verkehrsausschuss des Stadtrats eine Fußverkehrsstrategie beschlossen, mit dem Ziel, dass mehr Menschen in Nürnberg gerne und häufiger ihre Wege zu Fuß zurücklegen. Letztendlich soll die strategische Fußverkehrsförderung dazu beitragen, Unfallzahlen zu senken, die Selbstverständlichkeit des Zufußgehens zu unterstreichen und die Lebensqualität in Nürnberg zu steigern. Kurze Wege gewährleisten ein gesundes, attraktives Wohnumfeld – und umgekehrt. Der Stadt Nürnberg ist nach eigener Aussage Mobilität und Sicherheit im Straßenverkehr wichtig und für die jüngsten Verkehrsteilnehmer ein besonderes Anliegen.

Ein Meilenstein war sicherlich, dass unter dem Motto „Sicher zur Schule" im Jahr 2012 vor über 30 Schulen im Stadtgebiet eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 eingeführt wurde. Aber was ist danach passiert?

Schulwegkarten: Hilfreich oder Mogelpackung?

Die Stadt hat gemeinsam mit der Polizei und den Fachdienststellen (Servicebetrieb Öffentlicher Raum, Verkehrsplanungsamt und andere) immerhin im Jahr 2017 Schulwegkarten erarbeitet, die dabei helfen sollen, Gefährdungen von Kindern – insbesondere von Schulanfängern – im Straßenverkehr zu vermeiden.

Diese Schulwegkarten-Flyer enthalten neben den Hinweisen zum richtigen und sicheren Verhalten im Straßenverkehr auch Informationen zur jeweiligen Grundschule. Mittels grüner Linien wird ein sicherer Weg zur Grundschule angezeigt. Dass es solche Schulwegkarten überhaupt gibt, dürfte die meisten sicher überraschen. So sind doch im Straßenbild als sicher markierte Schulwege kaum von den übrigen Schulwegen zu unterscheiden. Solange „sichere Querungen“ in Kreuzungsbereichen zugeparkt sind und Geschwindigkeiten unzureichend kontrolliert werden, bleiben sie eine Mogelpackung.

Ebenso spielen bauliche Veränderungen an Straßen oder eine bessere Konzeption von Schulwegen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, keine Rolle. Lieber weist man in den Schulweg-Flyern auf Gefahrenstellen hin, die umgangen werden sollen. Das Konzept der sicheren Schulwege muss dringend weiterentwickelt werden.

Die Problematik „Elterntaxi“ greift die Stadt Nürnberg nicht ausreichend auf, ebenso ist keine Absicht erkennbar, diese Problematik überhaupt anzugehen.

Von sicheren Schulwegen profitieren alle

Hier würde ich mir persönlich mehr Engagement von der Stadt Nürnberg wünschen. Als moderne Stadt sollte sich auch Nürnberg dafür einsetzen, dass seine kleinsten Bürger sicher zur Schule kommen, ob zu Fuß, auf dem Rad oder dem Roller. Die Gefährdungen vor Schulen können mit Schulstraßen gelöst werden, dies zeigen die Erfahrungen aus anderen großen Metropolen in Europa (Wien, Paris und London). Zudem bringt es viele positive Aspekte mit sich, wenn Kinder selbst zur Schule gelangen. Sie knüpfen unterwegs soziale Kontakte mit Gleichaltrigen. Diese Erfahrung macht sie glücklicher und weniger gestresst. Diese Kinder erzielten zudem in der Schule bessere Leistungen in kognitiven Tests. Die Forschung zeigt auch, dass es einen starken Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Konzentration gibt. Kindern, die sich auf dem Schulweg aktiv bewegen, fällt es leichter, sich auf die Schulaufgaben zu konzentrieren.  Es gibt offenbar viele positive Auswirkungen auf die Psyche, den Körper und geistige Fähigkeiten, wenn Kinder ohne Eltern zur Schule gelangen.

Schulstraßen können zu dieser selbstständigen Mobilität einen großen Beitrag leisten, da es für die Eltern nicht mehr sinnvoll ist, ihr Kind zur Schule zu bringen, wenn die Straße davor gesperrt ist. Die Schulstraße hat positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und die Förderung umweltfreundlicher Mobilität für alle.

Die Politik und die öffentliche Hand sollten gefordert sein, für sichere Schulwege zu sorgen. Dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Hier sollten auch neue Konzepte getestet werden. Es gehört Mut und Engagement dazu, die Stadt kinderfreundlich zu gestalten.

Text und Fotos: Matthias Eberlein (unter Mitwirkung von Martin Wolff)