Pressemitteilung 18/2003
Mehr Grün für Nürnberg – bloße Wahlkampftaktik oder ernsthaftes Anliegen der Parteien?
Bund Naturschutz überprüft Realisierungsanstrengungen der Parteien ein Jahr nach der Kommunalwahl – Verkauf von Grünflächen ist Rückschritt in die ökologische Steinzeit
Nürnberg ist nicht gerade reich mit Grünflächen gesegnet. 140 Hektar Grünflächendefizit wurden amtlicherseits ermittelt. Seit Jahren ist es erklärtes Ziel von Politik und Verwaltung dieser Unterversorgung von Grün entgegenzuwirken. Der seit den Haushaltsberatungen 2002 vom Gartenbauamt in die Diskussion gebrachte Vorschlag, Grünflächen zu verkaufen und in Bauland umzunutzen steht im krassen Widerspruch zu diesen Anliegen. Die Verkaufsaktivitäten wurden zwar vorerst durch den Stadtrat gestoppt, jedoch laufen weiterhin Untersuchungen in der Verwaltung, die eventuelle Verkaufsmöglichkeiten überprüfen sollen. Trotz des parteienübergreifenden Bekenntnisses für die Schaffung von mehr Grün in ihren Wahlaussagen gibt es keinen ernsthaften Protest gegen die angedachten Verkäufe. Der BN sieht diese Entwicklung mit größter Sorge.
Um die aktuelle Position der Parteien zu Grünflächen zu hinterfragen, hat der BN die Parteien ein Jahr nach der Kommunalwahl auf die Umsetzungsanstrengungen bezüglich ihrer Wahlversprechen befragt. Die ersten Ergebnisse bei einer Befragung der Parteien (CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen) werden der Bedeutung des Anliegens nicht gerecht. CSU und SPD haben zu ihren Wahlversprechen selbst noch keine konkreten Umsetzungsaktivitäten unternommen. Bündnis 90/Die Grünen legte als einzige Partei eine erste Arbeitsbilanz vor. Die SPD möchte bis zur Sommerpause ein Umsetzungskonzept erarbeiten. Die CSU verweist lediglich auf ihre bestehenden Wahlaussagen.
Dieses Ergebnis stimmt nicht gerade optimistisch und zeigt deutlich auf, dass größte Wachsamkeit hinsichtlich der gemachten Wahlversprechen geboten ist.Das Grünflächendefizit in Nürnberg:
Öffentliche Grünflächen und Parks sind entscheidend für die Lebensqualität einer Großstadt. Angesichts eines Grünflächen-defizits von 140 Hektar in Nürnberg, wird seit Jahren die Verbesserung der Situation insbesondere in den mit Grün unterversorgten Stadtteilen gefordert (z. B. Südstadt, Gostenhof, St. Leonhard, Nordstadt, St. Johannis, Weststadt, Altstadt). Allein die Südstadt weist ein Defizit von 50 Hektar auf.
Ausschlaggebend ist aber nicht nur der flächenmäßige Bedarf und die Qualität des Grünangebotes; eine große Rolle spielen sowohl die Wohnungsnähe als auch die gute Erreichbarkeit über gefahrlose, möglichst begrünte Wege.
Der Entwurf zum Landschaftsplan sieht einige wenige konkrete Vorschläge für Grünflächen und Freiraumverbindungen vor. Auch wenn dafür eine Vielzahl von Anstrengungen erforderlich sind, reichen diese jedoch noch nicht aus, um das Grünflächendefizit auszugleichen. Freiraumverbindungen haben primär nichts mit neuen Grünflächen zu tun, sondern nur mit der Durchgängigkeit/ Erreichbarkeit von Grünflächen.
Grünflächenverkauf contra Grünflächenschaffung:
Seit den Haushaltsberatungen 2002 existiert ein Sparvorschlag aus dem Gartenbauamt, der die Umwandlung von Grünflächen in Bauland vorsieht. Neun Flächen, die sich weitgehend in Wohngebieten befinden, werden vorgeschlagen. Sie sind Teile oder Reste von Grünzügen. Der Verkauf der Grünflächen wurde zwar im ersten Schritt durch den Stadtrat gestoppt, jedoch laufen die Untersuchungen für eine Umwandlung bzw. Veräußerung bei der städtischen Verwaltung weiter. Auf Nachfrage des BN am 30.04.03 beim Umweltreferat war zu erfahren, dass am 17.07.03 im Stadtplanungsausschuss über die Grünflächenverkaufsliste ein Vorschlag vorgelegt wird. Der BN kann bis dahin die Unterlagen dazu nicht einsehen und ist entsetzt über dieses Vorgehen. In seiner Pressemitteilung vom 05.04.03 hat der BN dazu bereits Stellung bezogen:
„Es ist unfassbar, dass in Zeiten, wo Grünflächen eine Mangelware in vielen unterversorgten Stadtgebieten darstellen, dies bekanntermaßen auch zur Abwanderung junger Familien ins Umland beiträgt, diese zum Verkauf angeboten werden. Der Bund Naturschutz ist entsetzt über die freiwillige Opferung von Grünflächen.
Nicht nachvollziehbar ist zudem, wenn Oberbürgermeister Dr. Maly, ein Jahr nach seiner Wahl, dieses Ansinnen nicht sofort zum Stillstand bringt. Ulrich Maly hat insbesondere in seinem Wahlkampf ausdrücklich auf die Bedeutung der Grünflächen in der Stadt für die Bürger/innen hingewiesen. Er wollte sich bei einer Wahl dafür stark machen, dass jede/r Nürnberger/in nicht länger als 5 Minuten von seiner Haustür bis zur nächsten Grünfläche mit Aufenthaltsqualität benötigt. Mit der Vermarktung von Grünflächen ist diese Aussage keinesfalls vereinbar.
Der Bund Naturschutz bittet deshalb den Oberbürgermeister, umgehend einzuschreiten und einen Verkauf von Grünflächen und eine spätere Bebauung zu unterbinden.
Aus einem weiteren Aspekt ist die Vorgehensweise des Umweltreferates nicht verständlich. Im Entwurf des Flächennutzungsplanes und des dazu gehörenden Landschaftsplanes hat man mühsam versucht neue Grünflächen aufzutun und diese mit einem Schutzstatus zu versehen. In vielen Fällen traten bei dem Suchprozess Interessenskonflikte auf, was deutlich darauf hinweist, dass zusätzliche Grünflächen kaum oder nur sehr mühsam zu finden sind. Es ist ein Kuriosum, dass ein und dasselbe Referat (Umweltreferat!!) seine Grünflächen aufgibt, die sie an anderer Stelle mühsam sucht. Ein unsinniges Vorgehen, das auf Kosten des Steuerzahlers ausgetragen wird.
Die Wahlkampfaussagen der Parteien (siehe Anlage)
Bewertung durch den Bund Naturschutz:
Grundsätzlich:
Es ist zu begrüßen, dass ein rücksichtsloser Umgang mit Grünflächen in Nürnberg nicht an der Tagesordnung ist. Letztendlich erfolgt aber oft bei der Abwägung von Nutzungsinteressen zwischen Straßenausbau, Gewerbeansiedlung und Erhaltung von Grün gerade bei den großen Parteien eine Entscheidung gegen den Grünflächenschutz. Als letzte Beispiele stehen dafür die Aufgabe des Schulbiotops an der Bertold-Brecht-Schule oder der Eingriff in den Marienbergpark wegen der Straßenerweiterung.
Positiv wertet der Bund Naturschutz auch die weitgehende parteienübergreifende Unterstützung der Vorschläge für neue Grünflächen und Freiraumverbindungen im neuen Entwurf für den Landschaftsplan.
Unumstritten sind auch die Maßnahmen in der Südstadt, die aus der EU-Ziel-2-Förderung finanziert und realisiert werden.
Bewertung CSU:
Die Wahlaussagen beinhalten Forderung, die häufig bereits zum Tagesgeschäft der Verwaltung gehören, d. h. keinerlei eigene Initiativen erfordern. Aktivitäten zur Forcierung von bestimmten Projekten können nicht festgestellt werden.
Eine Reihe der genannten Maßnahmen wurden aus heutiger Sicht von der CSU noch nicht aufgegriffen (Metthingweiher bzw. Altholzbiotope).
Der Einsatz für die Erhaltung des Tennisgeländes in Zabo wird vom BN ausdrücklich gutgeheißen, da es Bestandteil des Grünzuges Goldbach ist.
Initiativen, wie z. B. das Aufgreifen des BN-Anliegens für mehr Straßenbäume, der Antrag auf die Wiederherstellung der Grünbereiche entlang der Almoshofer Hauptstraße oder den Ausbau einer Freiraumverbindung zwischen Großreuth h.d.V. und Kleinreuth (Westeingang Marienberpark) werden ebenfalls vom BN positiv zur Kenntnis genommen.
Bewertung SPD:
Die SPD ist mit sehr großen Zielen an das Thema herangegangen. Als Ziele wurden vor allem die Vernetzung vorhandener Grünflächen und die Schaffung neuer Grünflächen gesehen. Folgende Aussage von Oberbürgermeister Dr. Maly stellt dabei die Kernthese dar:
„Wir wollen erreichen, dass niemand von seiner Haustüre aus länger als 5 Minuten zu Fuß zueiner Freifläche mit Aufenthaltsqualität braucht, um sich ausruhen zu können und ein wenig Grün zu genießen.“
Konkret ist in diesem Zusammenhang zu hinterfragen, was aus den SPD-Anträgen geworden ist zur:
· Ausweisung von Grünflächen und –zonen im Bereich der freiwerdenen Bahnflächen bzw. zur
· Erweiterung des Marienbergparks als grünes Band bis zum Nordbahnhof
Ebenfalls bleibt unklar, was aus der Initiative „Plätze zum Leben“ geworden ist, die die SPD im Frühsommer 2002 starten wollte (mit Expertenhearing, öffentliche Workshops in den Stadtteilen,…)
Der BN vermisst außerdem klare Signale gegen den Verkauf von Grünflächen und für den offensiven Einsatz für die von der Verwaltung konzipierten Grünzugverbindungen.
Im Falle Marienbergpark und Schulbiotop der Bertold-Brecht-Schule hat sich die SPD wie die CSU leider auch nicht für einen Erhalt stark gemacht.
Bewertung Bündnis 90/Die Grünen:
Als einzige Partei hat uns B90/Die Grünen eine Arbeitsbilanz für das erste Jahr nach der Kommunalwahl vorgelegt.
Eine grundsätzliche Aussage wird der Bilanz vorangestellt. Sie verweist auf die Wahlergebnisse und die dramatisch verschlechterte Haushaltslage, die bei der Umsetzung von Umweltzielen nicht unbedingt hilfreich seien.
Sehr positiv ist zu bewerten, dass B90/Die Grünen
· sich grundsätzlich einsetzt für die Umsetzung der übergeordneten Freiraumverbindungen (Grünverbindungen) im Rahmen des Landschaftplanes,
· sich konkret einsetzt bei der Umsetzung der Grünzuge Goldbach, Eibach und Südwestgrün (im Rahmen der AGENDA 21),
· einen Antrag zum BN-Vorschlag für mehr Straßenbäume unterstützt,
Der BN begrüßt außerdem den Einsatz für die Tennisanlage am Zeltnerschloss (Teil des Grünzuges Goldbach) und den Erhalt des Schulbiotops an der Bertold-Brecht-Schule.
Selbstkritisch wird gesehen, dass noch keine Initiative gestartet wurde für die dezentrale Begrünung in den Stadtteilen.
Unklar bleibt, was aus den von OB-Kandidatin Brigitte Wellhöfer gemachten Aussagen aufgegriffen wurde. Dazu zählen:
…Die Vorschläge des BN, die Grünflächen Schnieglinger Straße und Hugo-Distler-Straße zu erhalten, werden wir im nächsten Schritt der FNP-Fortschreibung aufgreifen und unterstützen.
…Wir schlagen vor, einen Teil der riesigen Gewerbeflächen von Siemens an der Winter-Günther-Straße in Grün- und Sportflächen
umzuwidmen. Es sollte außerdem ernsthaft geprüft werden, ob nicht wenigstens eine der drei Brachflächen entlang der Bahnlinie als Freifläche erhalten bleiben kann.
Nicht erkennbar ist auch ein offensives Eintreten der Grünen gegen den Grünflächenverkauf.
Gesamtbewertung:
Die Befragung der Parteien nach einem Jahr zeigt deutlich auf, dass größte Wachsamkeit hinsichtlich der gemachten Wahlversprechen geboten ist. In Wahlkampfzeiten wird Bürgerinnen und Bürgern eine Menge Wohlklingendes ver-
sprochen; die Einhaltung der Versprechen unterliegt danach der jeweiligen parteipolitischen Priorisierung und internen Abwägung.
Angesichts der prekären Grünflächenversorgung in einigen Stadtgebieten und des bekannten Grünflächendefizits von 140 Hektar in Nürnberg ist das Engagement der Parteien als zu gering zu betrachten.
Lediglich Bündnis 90/Die Grünen engagieren sich spürbar im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Erhalt, die Schaffung und bessere Vernetzung von Grünflächen.
Der Bund Naturschutz appelliert deshalb an alle Stadtratsparteien:
· die Zerstörung der bestehender Grünflächen zu stoppen, z. B. Marienberg, Messe, etc.,
· dass sie sich gegen den Verkauf von Grünflächen und für die Schaffung der im Landschaftsplan vorgesehenen Grünflächen und Freiraumverbindungen einsetzen,
· dass sie ihre eigenen Wahlversprechen ernst nehmen und sich für ihre Umsetzung einsetzen,
· die Schaffung kleinster Grüninseln (Westentaschenparks) in Stadtteilen sowie die Umsetzung eines Straßenbaumpflanzprogrammes engagiert unterstützen und
· auf Naturzerstörungsprojekte durch die Ausreizung aller Möglichkeiten des Flächenrecyclings und flächensparenden Bauens verzichten.