Pressemitteilung 27/2003
Thema Straßenbäume am 15.10. im Umweltausschuss:
Schönfärberei der Daten durch die Verwaltung löst die Probleme nicht
Keine zukunftsfähigen Vorschläge zur Behebung des Straßenbaumdefizits
Seit 1992 verfolgt die Projektgruppe „Straßenbäume“ des Bund Naturschutz Nürnberg die Entwicklung der Straßenbäume im Stadtgebiet. Eine Bestandsaufnahme anhand des städtischen Baumkatasters ergab, dass insbesondere in den Gebieten innerhalb des Mittleren Rings, in welchen 46 % der Nürnberger Bevölkerung leben, ein großes Defizit an Straßenbäumen besteht. Gerade dort ist das Grün im Straßenraum ein wichtiger Faktor für die Lebens- und Wohnqualität.
Der Bund Naturschutz (BN) Nürnberg und die Projektgruppe Straßenbäume der AGENDA 21 stellten in diesem Frühjahr einen Städtevergleich zum Thema Straßenbäume vor. Danach war Nürnberg an letzter Stelle hinsichtlich der „Straßenbaumdichte“.
Die Ergebnisse des von der Projektgruppe Straßenbäume durchgeführten Städtevergleichs basieren auf den Antworten eines Fragenkatalogs, den die zehn miteinander verglichenen Städte – darunter auch Nürnberg – wortgleich erhalten haben (einschließlich einer Definition, was Straßenbäume sind). Die Nürnberger Daten (mitgeteilt von Herrn Webersinn mit Schreiben vom 22.01.2003) wurden ohne Änderungen in den Vergleich einbezogen.
Nürnberg schneidet damit in jeder Beziehung am schlechtesten ab; dies gilt insbesondere auch für die Entwicklung in den letzten zehn Jahren: während in allen betrachteten Städten ein beachtlicher Zuwachs an Straßenbäumen zu verzeichnen ist, gibt es in Nürnberg einen Rückgang um 660 Bäume!
Es bleibt dabei: Nürnberg liegt bei den Straßenbäumen nicht an der Spitze, sondern bildet das absolute Schlusslicht. Daran ändert auch die nachträgliche „Uminterpretation“ der Statistik durch das Gartenbauamt nichts.
Der Städtevergleich wurde von der Projektgruppe sehr sorgfältig und differenziert durchgeführt. Natürlich ist es sehr schwierig für eine Großstadt allgemein verbindliche Kriterien für die Ausstattung der Straßen mit Straßenbäumen fest zu legen; aber wenn es allein in der Kernstadt 24 km Straßen ohne einen einzigen Baum, ohne Straßenbegleitgrün und Vorgärten gibt, dann liegt es auf der Hand, dass es Defizite gibt. Nach Auffassung der Projektgruppe fehlen in diesen Straßen allein rund 860 Bäume!
In der Vorlage des Umweltausschusses nimmt die Verwaltung zu den Forderungen des BN und den Anträgen des Stadtrates Stellung; das Ergebnis ist deprimierend.
Trotz des vorgeschlagenen 100-Bäume-Programms stellt der BN fest, dass man sich in jedem Punkt sehr schnell auf das absolut Machbare und Notwendigste zurückzieht. Eigene Lösungsvorschläge zur Behebung des Straßenbaumdefizites – wie sie auch der städtische Landschaftsplan vorsieht – werden nicht gebracht. Die Infragestellung der Zahlen des BN sowie die Frage nach den objektiven Kriterien für ein Straßenbaumdefizit lassen außerdem den Eindruck entstehen, dass die Bäume in der Verwaltung noch immer keine Lobby haben.
Das in der Vorlage vorgeschlagene 100-Bäume-Programm für die Nachpflanzung von verwaisten Baumstandorten wird vom BN ausdrücklich begrüßt. Es ist ein erster wichtiger Schritt. Die Finanzierung aus Ausgleichsgeldern ist jedoch nicht erst seit heute möglich. Es muss deshalb die Frage gestellt werden, weshalb diese Maßnahme erst jetzt in dieser Form umgesetzt wird. Herr Webersinn teilte noch vor einigen Monaten mit, dass nur 13 Bäume in einem Jahr nachgepflanzt werden können. Was geschah in der Vergangenheit mit den Geldern?
Nicht nachvollziehbar ist für den BN die Aussage, dass objektive Kriterien für ein Defizit an Straßenbäumen fehlen. Neben den Untersuchungen, die der BN bereits vor 10 Jahren dazu angestellt hat, findet man ein paar Zimmer weiter in der Verwaltung dazu schwarz auf weiß weitere Kriterien. Im Entwurf zum Landschaftsplan wurde ein nach objektiven Kriterien ermitteltes Gründefizit von 140 ha festgestellt. Diesem will man wie folgt begegnen:
Die Grünflächenentwicklung soll durch Erhaltung und Ausbau eines vielfältig verknüpften, innerstädtischen Grünflächennetzes mit hohem Gebrauchs- und Gestaltwert erfolgen. Ziel ist die Erhaltung und Entwicklung gliedernder Großgrünstrukturen und eines Grünflächenverbundes durch
Großgrünstrukturen: Grünflächen, Parks und Grünzüge
Grünflächenverbund: Äußerer Grünring entlang der Güterringbahn
Vernetzung durch Alleen, Baumreihen und Hecken entlang von Verkehrsflächen und Grundstücksgrenzen, Umsetzung durch Straßenbaumpflanzprogramm
Baumreihen und Alleen sind wichtiger Bestandteil eines Grünflächenverbundes. Von der Umweltverwaltung wird ein Straßenbaumpflanzprogramm selbst gefordert.
Die Reaktion der Verwaltung auf die Frage nach der Begegnung des Defizits ist vor diesem Hintergrund ebenfalls sehr enttäuschend und zwar aus folgenden Gründen:
DieEinschränkung der Möglichkeiten für Straßenbaumpflanzungen allein auf Straßenumbaumaßnahmen zeigt auf, dass man gar nicht gewillt ist, ein eigenständiges Pflanzprogramm mit einer vorgeschalteten Untersuchung auf den Weg zu bringen.
Die erwähnte Leitungsproblematik ist sicherlich ein vorhandenes Problem. Eine Untersuchung wie es die Stadt Hannover beispielhaft durchgeführt hat (digitale Leitungspläne), wäre für Nürnberg dringend geboten. Erst dann lässt sich ein endgültiger Bescheid über die Pflanzmöglichkeiten geben.
Auch bei der Handhabung der Baumscheibengröße entsteht der Eindruck, dass man trotz anders lautender Bekundung, an festgezurrten Vorschriften möglichst festhält. Die von dem Leiter des Gartenamtes in Köln vorgeschlagenen Möglichkeiten zeigen auf jeden Fall Spielräume für flexible Baumscheibengrößen auf. Ob die Stadt Nürnberg davon auch Gebrauch macht, ist zu überprüfen.
Die Projektgruppe Straßenbäume bittet den Stadtrat angesichts der wenig motivierenden Stellungnahme um folgende Schritte:
Die Verwaltung ist damit zu beauftragen:
§ die Untersuchung der potentiellen Baumstandorte in den Defizitgebieten durchzuführen; die Vorgehensweise von Hannover ist zugrunde zu legen.
§ die Handhabung hinsichtlich der Leitungsproblematik und der Baumscheibengröße offen zu legen,
§ die Spielräume bei der Leitungsproblematik und der Baumscheibengröße aufzuzeigen und flexible Standards zu entwickeln.
§ die Kriterien für die Führung der Bäume im öffentlichen Verkehrsbereich Straßenbaumkataster darzustellen (was wird wo gepflegt und wie kommt es zu so unterschiedlichen Aussagen aus der Verwaltung bei ein und derselben Fragestellung: Brief Webersinn vom 22.01.2003: 22.500 Straßenbäume, Verwaltungsvorlage vom 15.10.03: 23.226 Straßenbäume und die zusätzlichen 56.040 Bäume in Grünstreifen und Gehölzpflanzungen.
Nach Darlegung der Situation, bittet der BN um die Umsetzung folgender weiterer Maßnahmen:
§ die Aufstellung eines bedarfsorientierten und fort zu schreibenden Pflanzprogramms für Straßenbäume in der Kernstadt. Dabei sollten Baumpflanzungen in unterversorgten Gebieten Vorrang erhalten,
§ verbindliche und fort zu schreibende Haushaltsansätze für die Pflanzprogramme,
§ die Entwicklung von kostenminimierenden Pflanzkonzepten,
§ die Initiierung einer Kreativität und Phantasie mobilisierenden öffentlichen Kampagne, die Vorbehalte abbauen hilft, Sponsoren aktiviert und die Ausweitung der Baumpatenschaften anstrebt,
die Beibehaltung des Programms für Ersatzpflanzungen auf verwaisten Standorten und die Sicherung vorübergehend nicht