Pressemitteilung 10/2007
Kahle Kommune
Trotz manch positiver Ansätze wächst Nürnbergs Gründefizit weiter – mit negativen Auswirkungen für die Menschen
Abgesehen von seiner malerischern Innenstadt gilt Nürnberg als eher graue Kommune. Insbesondere die Kernstadt weist ein enormes Gründefizit auf. Noch im Vorfeld des neuen Flächennutzungsplanes Ende der Neunziger Jahre wurde das Defizit an Grünflächen auf 120 Hektar geschätzt. Auch wenn aktuelle Zahlen fehlen, geht der Bund Naturschutz von einer weiteren Verschlechterung aus. Der Naturschutzverband fordert daher deutliche Impulse aus Politik und Verwaltung für mehr Grün.
Was hat kommunales Grün mit Klimawandel zu tun?
Der Klimawandel ist auch in der Region nicht mehr wegzudiskutieren. Heiße, trockene oder tropische Sommer belasten nicht nur die Natur, sondern auch immer mehr Menschen. Besonders davon betroffen sind die Bewohner der Innenstädte, da hier die Durchschnittstemperaturen zum Teil um mehrere Grad Celsius über dem Umland liegen. Gebäude und Verkehrsflächen heizen sich viel schneller auf und sorgen schon jetzt für „mediterranes Flair“.
Dem innerstädtischen Grün wird also in den nächsten Jahrzehnten immer größere Bedeutung zukommen, denn Bäume wirken aufgrund ihrer hohen Verdunstung stark kühlend. Außerdem filtern sie Staub und Schadstoffe in erheblichem Umfang aus der Luft. Zukunftsfähige Stadtplanung ist also ohne offensive Grünflächenförderung nicht denkbar.
Malys Wahlversprechen als Luftnummer
Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly hatte das städtische Grün vor der letzten Kommunalwahl folgerichtig ins Zentrum seines Wahlkampfes gerückt. Fünf Minuten sollten die Bürger bis zur nächsten Grünfläche in der Stadt haben. Grüne Stühle wurden markant platziert.
Leider muss der Bund Naturschutz bilanzieren, dass nach seiner Wahl von OB Maly und der SPD keine wesentlichen Initiativen ausgingen. Vielmehr wurde das Thema nach Ernennung von Dr. Klemens Gsell zum Umweltreferenten dem politischen Gegner überlassen.
Verkauf von Parkanlagen durch BN gestoppt
2003 traten Politik und Verwaltung sogar zur großangelegten Offensive gegen Grünflächen an. Neun städtische Parkanlagen sollten verkauft und gewinnbringend in Bauland umgewandelt werden. Damit hatte die Stadtspitze endgültig und deutlich einen Schlussstrich unter ein expansive Grünpolitik gezogen. Nur dank massiver Proteste konnte der Verkauf damals abgewendet werden.
Flächennutzungsplan als vergebene Chance
Folgerichtig wurden auch im neuen Flächennutzungsplan (FNP) die Jahrhundertchance auf mehr Grün in der Stadt kläglich vergeben. Nur eine magere Liste meist winziger Grünanlagen taucht im vielseitigen Werk auf. Große Parkanlagen fehlen trotz großer Neubaugebiete.
Die Verwaltung stellt zumindest im FNP nüchtern und korrekt fest, dass damit das Gründefizit zwangsläufig weiter steigen wird.
Ziel des Flächenutzungsplanes war es wohl, mit zahlreichen Neubaugebieten am Stadtrand die Kulturlandschaft und den Reichswald den Bürgern quasi als kostenlose Grünflächen nahe zu bringen. Doch in vielen Vororten sind aufgrund des Siedlungswachstums Grünbereiche im unmittelbaren Wohnumfeld kaum zu finden. So gelten auch sie mittlerweile als Defizitgebiete.
„Versilbern“ von Grünflächen ist aktuell
Drastisch wird das Gründefizit immer noch durch die Zerstörung bestehender Grünflächen vermehrt. Auch im aktuellen FNP sind etliche Grünflächen zur Umwandlung in Bauland. Bekanntestes Beispiel ist wohl die Vernichtung des Grabelandes an der Sulzbacher Straße. Ein weiterer großer Eingriff war der Bau der Messe-Parkhäuser am Silberbuck. Aber auch die jüngste Diskussion um einen teilweisen Verkauf des Westbades gibt beredtes Zeugnis vom geringen Stellenwert städtischen Grüns in Politik und Verwaltung (nicht bei den Bürgern!).
Tatsache ist, dass Parkanlagen in vergleichbarer Größe in den letzten Jahren nicht geschaffen wurden, um solche Verluste zu kompensieren. Die Ausgleichsmaßnahmen für die Messe-Parkhäuser wirken sich ja in der Fläche nicht aus.
Plätze zum Leben!
Besonders leichtfertig wurden bei der Gestaltung städtischer Plätze die Bedürfnisse der Bürger ignoriert. So ziert eine Palette von kahlen und öden Plätzen das Stadtbild. Baureferent Wolfgang Baumann bezeichnete den unwirtlichen Klarissenplatz einst als seinen Lieblingsplatz. Damit zeigt er deutlich, dass es vor allem am politischen Willen fehlt und nicht am Geld, hier Wesentliches zu bewegen. So hätte man auch aus dem Sebalder Platz und dem Willy-Brandt-Platz mehr machen können.
Der verbissene Kampf um ein grünen Nelson-Mandela-Platz mit Aufenthaltsqualität und Flair ist das aktuelle Beispiel. Der Bund Naturschutz wünscht sich hier eine deutliche Trendwende bei der Platzgestaltung.
Waldverluste beeinflussen Stadtklima
Der Verlust an siedlungsnahen Wäldern wirkt sich ebenfalls negativ auf das Stadtklima aus. Auch wenn viel Waldstücke in Nürnberg schon seit Jahren als Bauflächen verplant sind, wirkt sich ihre sukzessive Rodung auf das Stadtklima negativ aus.
Für das VAG-Straßenbahndepot an der Katzwanger Straße wird wohl bald der letzte Wald der Südstadt gerodet. Noch bis vor wenigen Jahren gediehen großflächige Wälder im Hafenareal. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde erst heuer ein großes Waldstück an der Schleuse Nürnberg gefällt, das für viele Bürger aus den Stadtteilen Eibach, Maiach und Marterlach eine der letzten erreichbaren Erholungsgebiete war.
Allein der Wald südlich der Wiener Straße hat ca. 30 Hektar. Addiert man auf, was hier in den letzten Jahren gerodet wurde und was noch zur Disposition steht, so kommt man auf deutlich über 50 Hektar. Keine noch so gute Grünflächenpolitik kann diese Verluste ausgleichen.
Auch Straßenbauprojekte wie die Nordspange am Flughafen oder die Hafenanbindung von der A73 greifen direkt in siedlungsnahe Wälder ein, zerschneiden und verlärmen sie und machen sei damit als attraktive Naherholungsgebiete unbrauchbar.
Beschränkt man sich allein auf das Thema Grünflächedefizit, so muss man feststellen, dass sich einige positive und hoffnungsvolle Entwicklungen der letzten Jahre kaum in Form neuer Grünflächen ausgewirkt haben.
Eine Grünfläche von 5 x 5 Meter – der Straßenbaum
Bei den Straßenbäumen gab es in den letzten Jahren aufgrund der unermüdlichen Lobbyarbeit des BN zumindest einen gewissen Bewusstseinswandel. Von einer nennenswerten Vermehrung der Straßenbäume ist man noch weit entfernt. Begrüßenswert ist die Verwendung von Ausgleichgeldern zur Pflanzung von Straßenbäumen. Deutlich wird hier allerdings das Dilemma. Denn wenn an anderer Stelle Natur zerstört wird, ist das in der Bilanz ein Nullsummenspiel.
Südstadt als Hoffnungsträger
Viele positive Energien wurden im Ziel-2-Prozess in der Südstadt freigesetzt. Mit den EU-Fördergeldern konnten etliche Straßen begrünt werden. Parkanlagen und Plätze wurden neu gestaltet ebenso wie Schulhöfe, um nur einige Beispiele zu nennen. Da in der Südstadt Freiflächen aber kaum verfügbar sind, blieben große zusätzliche Grünflächen ein Wunschtraum. Auch bei der Kür am Aufseßplatz hat man dann gepatzt. Der einst lauschige Platz mit altem Baumbestand präsentiert sich heute als kahle Freifläche.
Trotzdem hat sich hier gezeigt, dass wohl mit Fördergeldern von Außen entscheidende Grünpolitik machbar ist.
Grünzüge durch die Stadt
Fast unbeachtet blieb im Flächennutzungsplan das Konzept an so genannten Freiraumverbindungen, wie sie im Verwaltungsjargon genannt werden. Der Bund Naturschutz spricht in seiner Arbeit lieber von Grünzügen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass es nicht nur wichtig ist, Grünfläche zu haben. Menschen müssen sie auch über ein möglichst durchgängiges Netz an autofreien Wegverbindungen erreichen können. Sichert man diese Wege und baut sie aus, so kann man die Attraktivität von Grünflächen erheblich steigern.
Der Bund Naturschutz hat solche Grünzüge in einigen Teilen des Stadtgebiets etabliert. Der „Grünzug Goldbach“ zwischen Valznerweiher und Wöhrder See gilt als Paradebeispiel. Nur mit Mühe konnte die BN-Ortsgruppe auch hier den Verkauf von Grünflächen zugunsten der Wohnbebung verhindern.
Gleiches gilt für den „Grünzug Eibach“. Erst nach zähem Ringen um das Baugebiet „Motterstraße“ ist dieser grüne Korridor im Osten von Eibach gesichert.
Neben diesen drei aufmunternden Beispielen, gibt es noch andere Möglichkeiten, städtisches Grün zu fördern.
· Aufgelassene Bahnflächen bergen mit das wichtigste Potenzial an neuem Grün. Allein im Bereich Südbahnhof / Brunecker Straße stehen gewaltige Areale zur Disposition. Sie dürfen keinesfalls überwiegend für die Wohn- und Gewerbeflächenentwicklung verwendet werden.
Der BN fordert, bei Neuplanungen einen Schwerpunkt auf Grünflächen zu setzen.
· Lange leerstehende Brachflächen in der Stadt müssen zumindest kurzfristig als Grünflächen genutzt werden. Der Bund Naturschutz hat bei der Stadtverwaltung immer wieder ein Stadtbrachenkonzept angemahnt.
Der BN fordert, ein Stadtbrachenkonzept zu erstellen.
· Wo keine großen Areale für die Grünentwicklung zur Verfügung stehen, können auch kleine Bereiche genutzt werden. So genannte Westentaschenparks sind wertvolle Grünzonen im Miniformat. Auch hier fehlt es in Politik und Verwaltung an Impulsen und Ideen.
Der BN fordert, mehr kleinere Parks zu schaffen.
Der BN fordert Stadtrat und Verwaltung auf, das Thema Grünflächendefizit mit höchster Priorität zu behandeln. Es muss eine detaillierte Übersicht erstellt werden, die alle 5 Jahre zu erneuern ist. Konkrete Maßnahmen müssen jährlich vorgeschlagen werden.