Pressemitteilung 13/2009
Licence to kill für Rock im Park
Hammerinsektizid gegen Schmetterlinge
Bund Naturschutz protestiert gegen Einsatz von Bt-Spritzmitteln im Volkspark Dutzendteich – unökologisch und z.T. unwirksam - Regierung interveniert nach Protesten des BN – mehr Geld für Nachpflanzungen und schlüssiges Besucherkonzept gefordert.
Die Stadt Nürnberg führt aktuell vor „Rock im Park“ auf dem Gelände des Volksparks Dutzendteich eine Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners durch. Dabei wird ein sogenanntes Bacillus-thuringensis-Präparat verwendet. So hat es jedenfalls der Bau und Vergabeausschuss jüngst einstimmig entschieden.
Weder selektiv noch biologisch
Dieses Mittel schädigt nachweislich einen Großteil der auf Eichen spezialisierten Schmetterlinge und zahlreiche andere Insektenarten. Herr Rudi Tannert, einer der besten regionalen Schmetterlingsspezialisten, hat ganz aktuell für den BN die potenziell betroffenen Schmetterlingsarten geschätzt. Danach sind allein bei einer Besprühung von Eichen etwa 125 Schmetterlingsarten im Nürnberger Raum von einem Bt-Einsatz akut betroffen. Die Zahl der übrigen bedrohten Insektenarten lässt sich auch von Experten kaum schätzen.
Der Bund Naturschutz sieht in der Maßnahme nicht nur einen gravierenden Eingriff in die wertvolle Schmetterlingsfauna des Volksparks. Als Grundlage der Nahrungspyramide sind auch Fledermäuse und Vögel im schützenswerten Altbaumbestand massiv von dem Eingriff betroffen.
Die Darstellung, dass es sich bei Bacillus-thuringensis-Mitteln um selektiv wirksame Insektizide handele, wird damit eindeutig entlarvt. Biologisch ist einzig der unproblematische Abbau des Giftes in der Natur. Auch wenn Bacillus-thuringensis-Mittel im Bioanbau verwendet werden, spielt das in diesem Fall keine Rolle. In der Landwirtschaft will man gerade alle Fraßfeinde treffen, während dies in einem natürlichen Ökosystem eine dramatische Störung bedeutet. Zudem sind Pflanzenschutzmittel laut Gesetz allgemein nur für Land- und Forstwirtschaft zugelassen. Von Parkanlagen ist keine Rede.
Naturdenkmäler totgespritzt
Nicht nur für die normalen Besucher ist der Volkspark Dutzendteich eine Naturoase auch viele seltene Tiere haben hier Zuflucht gefunden. Besonders schützenswert sind etliche alte Bäume im Parkgelände und die Uferzonen der Gewässer mit ihrem dichten Schilfzonen.
Im Umgriff des Festivalgeländes befinden sich zwei Geschützte Landschaftsbestandteile (LB Nr. 3.17 und 1.20) sowie sieben Naturdenkmäler (ND-Nr. 31 – 37), darunter fünf einzelne Alteichen und eine Eichenallee.
Eigentlich dürfen Naturdenkmäler nach dem Pflanzenschutzgesetz nicht mit Insektiziden behandelt werden. Auch der Einsatz am Gewässer ist untersagt. Der Bund Naturschutz hat daher bei der Regierung von Mittelfranken gegen den Einsatz mehrfach schriftlich protestiert ohne eine fachliche Antwort zu erhalten.
Immerhin veranlasste die Regierung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP), wie sie das Naturschutzrecht vorschreibt. Leider wurde von der Behörde der Stadt Nürnberg auch eine großzügige Ausnahmegenehmigung erstellt. Danach muss die Maßnahme bis Mitte Mai abgeschlossen sein. Der Einsatz des großflächig wirksamen Gifts Nemazal ist verboten.
Besonders schmerzlich vermisst der BN hier die Nürnberger Umweltbehörde, die zumindest verwaltungsintern auf die Einhaltung des Naturschutzrechts dringen müsste. „Private Investoren müssen seit Jahren für Vorhaben eine artenschutzrechtliche Prüfung machen. Nur die Stadt Nürnberg hält sich selbst willentlich und wissentlich nicht an Naturschutzrecht, obwohl sie das von den Bürgern verlangt,“ so Wolfgang Dötsch, Biologe beim Bund Naturschutz. „Ein Unding, ohne die Arbeit ehrenamtlicher Naturschutzverbände würde sich in Nürnberg wohl vielfach niemand um Naturschutzrecht kümmern.“
Ausschließlich finanzielle Gründe
Bund Naturschutz hat daher die Stadt Nürnberg aufgefordert, eine umweltschonende manuelle Bekämpfung der Prozessionsspinner-Nester durchzuführen. Nur damit können ausschließlich Eichenprozessionsspinner und keine anderen Tiere bekämpft werden. Denn aus Sicht des BN hat der Insektizideinsatz allein finanzielle Gründe. 2008 gab es nach Auskunft des BRK weniger als zehn Betroffene, die wegen der akuten Reizung durch Spinnerhaare behandelt werden mussten. Zeckenbisse und Wespenstiche sind für viele Festivalbesucher sicher eine deutlich gravierendere Gefahr. Gegenüber den selbst verursachten Gesundheitsgefahren der Rockfans sind die Schmetterlingshaare fast vernachlässigenswert.
Geringe Wirksamkeit
Dabei kann auch nach erfolgter Besprühung der Bäume im Volkspark niemand sicher sein. Nach Aussage des Amtes für Landwirtschaft und Forsten (ALF) liegt die Wirksamkeit von Bt-Präparaten bei etwa 60 %, bei schlechtem Wetter kann sie noch deutlich geringer sein. D.h. selbst bei erfolgreicher Behandlung überleben 40 % Prozent der Spinnerraupen.
Von den unbehandelten Waldgebieten im Osten des Geländes können auch sofort wieder Schmetterlinge einwandern, da die erwachsenen Tiere problemlos zwei Kilometer weit fliegen.
Geld für Nachpflanzungen statt Gift gegen Nachtfalter!
Fazit: Alle Bekämpfungsversuche lösen das Problem nur unzureichend und kurzfristig. Für den vergeblichen Ausrottungsfeldzug werden aber immense Mittel des knappen städtischen Grünflächenetats verschwendet. Gelder, die für eine dauerhafte Pflege des Volksparks besser angelegt wären. Denn gerade dieser Park hatte in den letzten Jahren massiv unter Großveranstaltungen zu leiden.
Von einst über 2900 Bäumen sind nach Auskunft des städtischen Baumkatasters nur noch 2431 vorhanden. Die Lücken der dramatischen Fällarbeiten sind für viele Parkbesucher augenfällig. „Wenn die Verwüstung des Parkes in dieser Geschwindigkeit weiter geht, kann man hier bald nur noch ein Desert Rock feiern,“ so BN-Vorsitzender Günther Raß.
„Was fehlt ist ein schlüssiges Besucherkonzept für Rock im Park. Gefährdete Bereiche müssen sicher mit Bauzäunen abgesperrt werden. Dadurch lässt sich die Gesundheitsgefahr minimieren und die Natur wirksam schützen. Wir wollen ein verträgliches Festival, denn auch viele Naturfreunde gehen gern auf Rockkonzerte.“