Radrennbahn als Biotop und Park!
BUND Naturschutz fordert 100 % Schutz für Bäume an der ehemaligen Radrennbahn Reichelsdorfer Keller. Deutliche Kritik an Planungen der Stadt.
Pressemitteilung vom 26. Januar 2022
Die ehemalige Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller ist in einen naturnahen Baumbestand eingebettet, der teilweise die Qualität eines echten Walds hat. Der BUND Naturschutz hat bei einer Begehung 84 Eichen mit einem Stammumfang von über einem Meter erfasst. Die Stadt Nürnberg will die Grünfläche bebauen und dabei mehr als die Hälfte der Bäume fällen, darunter zahlreiche wertvolle Biotopbäume. Das ist im Hinblick auf die vom Bayerischen Umweltministerium prognostizierte extreme Belastung Nürnbergs durch die bevorstehende Erhitzung der Städte in Bayern nicht hinnehmbar. Die Stadtplanung muss endlich ihre Prioritäten dem Klimawandel anpassen und sich auf den Weg zur Schwammstadt begeben. Alte Bäume können wegen ihrer ökologischen Bedeutung nicht durch Jungpflanzen ersetzt werden.
Zahlreiche Bürgerstimmen
Die Petition zum Schutz der Bäume wurde von mehr als 3.000 Nürnberger Bürger*innen unterzeichnet (über 4.700 insgesamt mit denen aus der Region). Offenbar ist Baumschutz nicht nur das Anliegen von einigen Anwohner*innen. Der BUND Naturschutz sieht darin ein klares Zeichen für eine ökologische Stadtplanung und fordert einen Verzicht auf die Bebauung.
Grundsätzlich plädiert der Naturschutzverband für ein striktes Moratorium, im Flächennutzungsplan festgelegte Grünflächen, kartierte Biotope und Wälder nicht mehr zu bebauen. Die Radrennbahn sollte ein frei zugänglicher Park für alle Menschen werden. Katzwang und Reichelsdorf haben ein Anrecht auf eine ökologisch ausgerichtete und am Klimawandel orientierte Entwicklung. Gleichzeitig fordern wir die Ausweisung zum geschützten Landschaftsbestandteil – und das ist kein Widerspruch!
Falsche Pläne und Falschaussagen verwirren Bürger
Massiv kritisiert der BUND Naturschutz die vorgelegten Planunterlagen und Aussagen der Stadt Nürnberg. Diese hatte immer wieder argumentiert, dass ein Großteil der Bäume erhalten bleibt. Der Umweltbericht von 2019 hatte dazu etliche Detailkarten geliefert (Baumbestandsplan, Fällplan ...), auf denen angeblich alle Bäume mit exaktem Standort und Kronendurchmesser erfasst worden sein sollten. Diese hatte auch der BN ausgewertet und darauf seine Aussagen gestützt. Tatsächlich zeigen die städtischen Pläne nur etwa 280 von fast 390 Bäumen (ca. 70-75 %)! Davon sollen über 200 beseitigt werden. Mehr als die Hälfte der Bäume sollen gefällt werden. Wenn über 100 Bäume in den Plänen fehlen, kann man dazu aber nichts herauslesen. Die Aussagen der Stadt sind falsch und die Pläne sind ungenügend. Eine gute Bürgerbeteiligung sieht anders aus.
Doch auch die aktuellen Aussagen im Bürgerdialog sieht der BN kritisch. Angeblich soll die Radrennbahn nicht als Biotop kartiert sein. Tatsächlich ist sie bei der Stadtbiotopkartierung 2006 nicht erfasst worden, im bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) jedoch wurde sie als regional bedeutsamer Lebensraum Nr. 909 aufgenommen. Warum spricht die Stadt Nürnberg jedoch nur von einer „Eintragung“?!
Natürlich stellt der Baumbestand der Radrennbahn ein kartiertes Biotop dar, und zwar von hochoffizieller Seite des bayerischen Staatsministeriums. Die Wortwahl der Stadt Nürnberg ist subjektiv und irreführend. Wie jedes erfasste Biotop muss auch die Radrennbahn geschützt und erhalten werden!
Radrennbahn als Schutzgebiet!
Auch weitere Aussagen zur Planung sehen wir kritisch. So gibt es für Stadtbiotope weder restriktive Vorschriften noch werden sie in der Regel eingezäunt. Biotope werden auch nicht ausgewiesen, sie werden kartiert. Eine Ausweisung gibt es für Schutzgebiete, die dann auch eigene Schutzverordnungen haben. Die Radrennbahn sollte wegen der extrem hohen Anzahl geschützter Altbäume zum Geschützen Landschaftsbestandteil ausgewiesen werden. Auch dann hätten Bürger übrigens ein freies Betretungsrecht, wie die weit überwiegende Mehrzahl dieser Schutzgebiete in Nürnberg zeigt.
Sträucher ersetzen keine Bäume!
Die Stadt Nürnberg hat angekündigt, auf dem Areal der Radrennbahn ca. 200 Bäume als Ersatz für die Fällungen zu pflanzen. Offenbar will man mit 100 % formellem Ausgleich den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen, denn die Pläne von 2019 zeigen eine weit geringere Anzahl. Der BUND Naturschutz geht auch davon aus, dass eine Pflanzung von 200 großen Bäumen auf der Fläche bei dichter Bebauung gar nicht möglich ist. Erste Entwürfe zeigen vielmehr die geplante Pflanzung von vielen kleinkronigen Bäumen in engen Gruppen und die Nachpflanzung im dichten Waldbestand. Das sind eher Hecken mit Sträuchern und der Wald braucht auch keine Nachpflanzung. Das erledigt die Naturverjüngung kostenlos. Wir können große Bäume stadtkli-matisch nicht einfach durch Jungpflanzen ersetzen.
Wertvoller Lebensraum für Tiere
Alte Bäume sind vor allem im Klimawandel unersetzbar, sie stellen zudem wichtige Lebensräume für Tiere dar. Im Baumbestand der Radrennbahn sind 32 Höhlen- und Biotopbäume kartiert, von denen 18 gefällt werden sollen. Zudem stellt das Areal ein wichtiges Quartier für Fledermäuse dar, insbesondere für den Großen Abendsegler.
Man kann nicht einfach wertvolle Nisthöhlen durch Nistkästen ersetzen. Spechte und Fledermäuse benötigen insbesondere ältere Gehölze, da sie ihnen Insekten als Nahrung bieten.
Für die Radrennbahn wurde eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung erstellt, die dem BN aber erst nach mehrfachen Anfragen und schriftlicher Anmahnung im Rahmen des Umweltinformationsgesetzes (UIG) vorgelegt wurde. In ihr soll das Vorkommen wichtiger Tier- und Pflanzenarten bewertet sein. Nach bayerischem Umweltinformationsgesetz müssten solche Datenquellen Bürgern und Verbänden auf Verlangen unverzüglich offengelegt werden. Sie sind keine Geheimsache.
Besonders kritisch sieht der BUND Naturschutz die Bewertung der Vogelfauna in der artenschutzrechtlichen Prüfung (saP). Trotz der immensen und weit überdurchschnittlichen Anzahl an Höhlenbäumen im Gehölzbestand wurden Spechte als unbedeutend ausgeschlossen und allenfalls als Nahrungsgäste erwähnt. Es ist aus fachlicher Sicht unrealistisch, davon auszugehen, dass man an der Radrennbahn 32 Höhlenbäume vorfindet, Spechte aber bedeutungslos sind und nicht mal potenziell vorkommen. Welches andere Tier legt denn Baumhöhlen an? Keines!
Auch allgemein erscheint dem BUND Naturschutz die Kartierung der Höhlenbäume nicht transparent. In den bisherigen Plänen waren die zu fällenden Biotopbäume nicht erkennbar, nur die geschützten. Das ist nicht offen kommuniziert, denn uns als Naturschutzverband würde natürlich interessieren, was an schützenswerten Strukturen beseitigt werden soll.
Die artenschutzrechtliche Prüfung umfasst aber nur Tiere, die nach EU-Recht bedeutsam sind. Nach Ansicht des BUND Naturschutz müssen bei einem so bedeutenden Lebensraum auch national gefährdete Tiergruppen berücksichtigt werden. Die alten Bäume haben sicher eine reichhaltige Insektenfauna aus Schmetterlingen und Käfern, die in keiner Form berücksichtigt und untersucht wurde. Anwohner berichten zudem vom Walker, einem großen Blatthornkäfer, der wie Hirschkäfer und Eremit in Bayern als stark gefährdet gilt. Wir haben etwa 500 Insektenarten, die auf Eiche spezialisiert sind. Es ist nicht hinnehmbar, bei dem schon eingetretenen Verlust von über 70 % der Biomasse aller Insekten alte Eichen zu fällen.