Offener Brief: Ehemalige Radrennbahn Reichelsdorfer Keller
Pressemitteilung vom 25. März 2022
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Herr König,
für den BUND Naturschutz in Nürnberg ergibt sich beim laufenden Verfahren eine Reihe von Fragen, die das Dammbauwerk der alten Radrennbahn im Quartier Reichelsdorfer Keller betreffen:
Es gibt eine Vorgabe der Stadt Nürnberg im Rahmen des beschleunigten, kombinierten Bebauungsplan- und Flächennutzungsplanänderungs-Verfahrens die technisch verbrauchte Radrennbahn (Betonring) abzubrechen; das Dammbauwerk selber sollte zumindest teilweise mit dem darauf gewachsenen Baumbestand erhalten werden.
Schon im Umweltbericht 2019 steht dazu bezüglich der Auswirkungen Folgendes (2.4 Pflanzen, Tiere, Biolog. Vielfalt):
„Im Rahmen einer statischen Untersuchung der ehemaligen Radrennbahn wurde festgestellt, dass mit der Wegnahme der Betonpiste, das darunter dann frei liegende Erdreich in den Steilkurvenbereichen der Traversen nicht in der bestehenden Geländeneigung stehen bleiben kann. Hier sind statische Anpassungen, das heißt Verringerungen der Neigungsverhältnisse erforderlich. Dies bedingt die Wegnahme von Erdreich in diesem Bereich, so dass der Lebensraum der dort stehenden Bäume verloren geht. Damit werden auch Baumstandorte in zweiter und dritter Reihe zum Teil stark beeinträchtigt, so dass deren Standardsicherheit auf Dauer auch nicht gewährleistet werden kann. Es wurde daher aus verkehrssicherheitstechnischer Sicht entschieden, die Böschungen der westlichen, südlichen und östlichen Traverse vollständig abzutragen und den Baumbestand auf das standsichere Maß zu reduzieren“.
Dies bedeutet aber, dass sich in erster Linie durch den Abbruch des Betonrings gravierende negative Folgen für die auf dem Damm stehenden Bäume ergeben.
Nach Rückbau der Betonfahrbahn muss die Böschungsneigung des Dammbauwerks deutlich verringert werden von ca. 45 auf 30 Grad. Der Einfluss auf die Standsicherheit der Bäume ist erheblich. Bei einer Veränderung der Böschungsneigung müssen die Zugwurzeln der Bäume zum größten Teil gekappt werden.
Auf Grundlage der Nürnberger Baumschutzverordnung darf aber nicht in den Wurzelbereich von Bäumen eingegriffen werden, da sonst die Versorgung mit Nährstoffen gestört und die Standsicherheit verringert wird.
Daraus ergibt sich aber konkret, dass die Stadt Nürnberg die Forderung nach Abbruch des alten Betonbauwerks fallenlassen und durch die Forderung nach Erhalt und Absicherung dieses Bauwerkes ersetzen muss. Täte sie es nicht, würde sie vorsätzlich gegen ihre eigene Baumschutzverordnung verstoßen.
Es mag sein, dass bestehendes Baurecht im Regelfall Baumschutz bricht, dies gilt jedoch nicht, wenn einzelne oder mehrere Bäume einen besonderen Wert für die Umwelt darstellen, was hier der Fall ist.
Zudem gilt dieser aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Grundsatz hier ohnehin nicht, weil das eingeleitete Verfahren gerade erst Baurecht schaffen soll. Hier ist es in das Ermessen der Stadt Nürnberg gegeben, dem Erhalt dieses wertvollen Baumbestands einen das künftige Baurecht mindernden Wert zuzuschreiben. Bei der Ausübung dieses Ermessens ist die Stadt Nürnberg nicht frei, sondern an die Vorgaben der Baumschutzverordnung gebunden. Aufgrund der in der Sache gegebenen materiellen Situation wäre es ermessensfehlerhaft in Kenntnis der Folgen für den Baumbestand auf dem Abbruch des Dammbauwerks zu bestehen. Im Gegenteil, die Stadt muss auf den Erhalt dieses Betonrings bestehen, um den von ihr selbst auferlegten Schutz des Baumbestands Vorrang einzuräumen.
Nach Auffassung des BN muss angesichts der Folgen für den Baumbestand der Betonring bestehen bleiben und als Grenze für eine Bebauung festgesetzt werden. Das Maß der baulichen Nutzung dieser Fläche muss sich jedenfalls auch am von der Stadt Nürnberg selbst gesetzten Recht, hier der Baumschutzverordnung, orientieren. Eine Hinnahme von Folgen einer Maßnahme, die in der Wirkung ein Verstoß gegen die Baumschutzverordnung wären, wäre ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Wenn die konsequente Anwendung eigenen Rechts dazu führt, dass die bauliche Nutzung dieses Grundstücks nur in einem festzusetzenden Rahmen möglich ist, dann entspricht das der verwaltungsrechtlichen Übung, öffentlichen Belangen Priorität unter Beachtung geltenden Rechts zuzumessen. Die Folge, dass zahlreiche wertvolle Bäume erhalten bleiben, für die dann auch nicht aufwändig Ausgleich geschaffen werden muss, ist im Sinne der Baumschutzverordnung als Vollzug des Willens des Verordnungsgebers zwingend geboten.
Der BN geht davon aus, dass seitens der Stadt Nürnberg keine gegen die eigene Verordnung verstoßenden Zusagen gemacht wurden. Insofern erörtern wir hier zu diesem Zeitpunkt nicht mögliche Rechtsfolgen, behalten uns dies aber ggf. vor.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, der BN geht davon aus, dass Sie sich für den Erhalt der Bäume mindestens in dem Umfang einsetzen, wie es der Baumschutzverordnung der Stadt Nürnberg entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Klaus-Peter Murawski
1. Vorsitzender BUND Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe Nürnberg