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Radrennbahn als Biotop und Denkmal schützen!

Die Kreisgruppe Nürnberg des BUND Naturschutz hat sich intensiv mit den Argumenten der Stadt für eine Bebauung der alten Radrennbahn auseinandergesetzt. Aber auch kurz vor der Entscheidung, die voraussichtlich in einem Stadtplanungsausschuss im Herbst fallen wird, können wir nicht nachvollziehen, dass diese Planung, die zu einem großen Verlust an Bäumen führen wird, durchgezogen werden soll. Hinzu kommt, dass vor kurzem die Landesdenkmalbehörde die Denkmaleigenschaft der Radrennbahn und eine stadtgeschichtliche Bedeutung festgestellt hat und. Auch diesem Aspekt muss Rechnung getragen werden! 

Pressemitteilung vom 12. August 2022

Wir betonen nochmals: Hätte die Stadt nicht die Vorgabe gemacht, den Betonring, den Kern der Rennbahn zu entfernen, müssten nicht fast 200 alte Bäume fallen. Auch genauso viele Ersatzpflanzungen können nicht im Mindesten Ersatz bieten, denn es werden junge Bäumchen gepflanzt, die allenfalls in frühestens 50 bis 60 Jahren die gleiche Wohlfahrtswirkung (Kühlung, CO2-Bindung, Verbesserung Kleinklima) erzielen werden. 

Die alten Bäume stellen einen wichtigen Lebensraum für geschützte Tierarten dar. Würden diese vernichtet, wäre das bereits das dritte Biotop in diesem Stadtbereich: Zwei vergleichbare Biotope – nämlich private Parkanlagen – wurden auf dem Areal des ehemaligen Parkcafés Rennbahn und des früheren Tanzlokals Reichelsdorfer Keller in den vergangenen zwei bis fünf Jahren bereits für Bebauung geopfert. Betrachtet man die Summe der drei Areale, wird das Artensterben erneut forciert, anstatt ihm Einhalt zu gebieten, und es wäre ein großer Verlust für die Biodiversität in Nürnberg. 

Neben der hohen Bedeutung für Vögel (insbesondere Spechte) und Fledermäuse konnten Anwohner und BUND Naturschutz etliche geschützte Tier- und Pflanzenarten nachweisen. So kommen der stark gefährdete Walker-Käfer und die gefährdete Hosenbiene auf dem Areal vor. Daneben sind acht Pflanzenarten der Roten Liste zu finden, wie Kelch-Steinkraut, Kartäuser-Nelke oder Ästiges Vergissmeinnicht. 

Wir verstehen nicht, auf welcher Grundlage die Sicherheit des Bauwerks in Frage gestellt wird: Immerhin fand 2017 hier noch die letzte Deutsche Meisterschaft statt. Im Herbst 2019 wurde die Benutzung der Bahn durch Radveteranen ermöglicht. Das wäre bei einem schlechten Zustand nicht möglich gewesen. 

Im Allgemeinen mögen Bäume an Böschungen kritisch betrachtet werden; die Bäume an der Radrennbahn haben alle Stürme der letzten Jahre (die übrigens in direkter Umgebung durchaus Schaden angerichtet und Bäume zu Fall gebracht haben) überstanden. Es gab keinen Windbruch und keine umgestürzten oder entwurzelten Bäume. 

Ist der Wohnungsbedarf wirklich so dramatisch?

Die Verwaltung unterstellt einen dramatischen Wohnungsbedarf, den sie mit Zuzügen nach Nürnberg begründet. Der bayererische Staatsminister des Inneren hat im ersten Quartal des Jahres den Bericht des Statistischen Landesamtes Bayern für das Jahr 2021 vorgelegt. Der Minister und das Landesamt sehen seit 2019 ein Nullwachstum der Bevölkerungszugänge in Nürnberg und geben dafür auch Gründe an: Bis 2018 kamen Zuzüge vor allem aus Oberfranken nach Nürnberg. Durch die erfolgreiche Strukturpolitik der Bayerischen Staatsregierung in Oberfranken ist dieser Zustrom gestoppt worden. Ist das der Grund, dass die Stadtverwaltung in ihren Berichten gegenüber dem Stadtrat stets das Bezugsjahr 2018 wählt? 

Das Helmholtzzentrum Leipzig hat die Auswirkung der Pandemie auf die Bevölkerungsentwicklung der deutschen Großstädte untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass es zwei Großstädte gibt, die sogar Bevölkerungsrückgang erleben werden, nämlich Nürnberg und Stuttgart. Oder hält sich die Stadtverwaltung für seriöser in der Prognose als Landesamt, Innenministerium und Helmholtzzentrum zusammen?  

Was in Nürnberg tatsächlich fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum für Menschen, deren Einkommen Mieten zwischen 10 und 22 Euro pro Quadratmeter nicht finanzieren können. Das ist vor allem eine Frage der Grundstückspreise, aber auch der Baukosten. Durch Mobilisierung und Optimierung versiegelter Flächen wie Überbauung von Parkplätzen und Verkehrswegen, Aufstocken von bestehenden Gebäuden und Dachgeschossausbau in energieoptimierter Modulbauweise lassen sich die Kosten auf die Hälfte reduzieren. Nur so gewinnt man Wohnraum, der für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen erschwinglich ist.  

Verschiedene andere Aspekte

Eine Anbindung an den ÖPNV ist zwar vorhanden, aber von einer guten Anbindung kann nicht die Rede sein, da die Kapazitäten zu Stoßzeiten nicht ausreichend sind. Es ist bekannt, dass z.B. die S-Bahnen um 6:46 Uhr, 7:06 Uhr und 7:26 Uhr z.T. so überfüllt sind, dass Schulkinder am Bahnhof Reichelsdorfer Keller nicht mehr mitgenommen werden können und auf die nächste Bahn warten müssen. Laut einer Anfrage der Grünen im Landtag ist eine Ausweitung der Kapazität nicht möglich. 

Heute schon besteht ein Defizit an öffentlichen Grünflächen: das ist quantifiziert im Masterplan Freiraum; für den Bereich Reichelsdorfer Keller sind das knapp acht Hektar Defizit an Grünfläche, wobei aktuell im Flächennutzungsplan die Radrennbahn als Grünfläche ausgewiesen ist. Das heißt, wenn sie bebaut werden würde, würde das Defizit um weitere drei Hektar wachsen. Ziel der Stadt sollte im Gegenteil sein, die Defizite zu reduzieren! 

Es wird behauptet, der „lokale Bedarf an Wohnen“ wird mit der Bebauung der Fläche Radrennbahn gedeckt. Der Baureferent schreibt, dass Reichelsdorf auch „eine Entwicklung verdient habe“. Wieso wird diese durch das Abholzen hunderter alter Bäume erreicht und nicht gerade durch deren Erhalt? 

Eine Entwicklung zu mehr Bäumen und Grünflächen verlangt die Klimaprognose des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt von den Städten angesichts der erwarteten Hitzeentwicklung und Dürre. Alle Experten der Stadtentwicklung fordern dies. Entwicklung bedeutet in unseren Augen Abkühlungsflächen und gute Kaltbelüftung und nicht Versiegelung der letzten Flächen. Was in Nürnberg fehlt, ist eine ökologische Begrifflichkeit von Stadtentwicklung, bei der die Erkenntnisse von Klimatologen und Biologen eingehen. 

Die Behauptung, dass bei den Planungen inzwischen „optimiert“ wurde, ist für uns nicht nachvollziehbar. Viele Fragen sind nicht beantwortet. Leider wurde uns bisher noch nicht mal eine vernünftige aktuelle Karte zur Verfügung gestellt. Wie viele der 390 Bäume sollten im Vergleich mit jetzt 190 anfänglich gefällt werden? Warum eine Verschiebung der Baukörper, warum nicht weniger Baukörper? Leider können viele Aussagen ohne entsprechende Unterlagen nicht nachvollzogen werden. Wir fordern daher die Verwaltung auf, uns einen aktuellen Plan zur Verfügung zu stellen. 

Der Brief des Oberbürgermeisters spricht von Ersatzpflanzungen, die „in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung des verbleibenden Bestands über das gesamte Planungsgebiet fachlich stimmig verortet“ werden. Von 190 Bäumen, die fallen sollen, unterliegen 141 der Baumschutzverordnung!!! Die Rede ist von 201 Neupflanzungen. Wie sollen diese auf der Fläche untergebracht werden, wenn die derzeit in Nürnberg vorgeschriebene Baumscheibengröße von 16 Quadratmetern zugrundegelegt wird? Oder gilt das für die geplanten Freiflächen der Radrennbahn nicht? Auch hier wäre es sehr hilfreich, den aktuellen Stand des Bebauungsplansplans zu kennen. 

Noch ist es Zeit, so viele alte Bäume vor der Vernichtung zu bewahren. Ich, der gesamte BUND Naturschutz Nürnberg und die Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller appellieren an die von Ihnen früher gezeigte Wertschätzung von Bäumen. Mit etwas weniger Bebauung und der Erhaltung des Betonrings können alle Bäume gerettet werden. 

gez. Klaus-Peter Murawski
1. Vorsitzender
BUND Naturschutz in Bayern e.V. Kreisgruppe Nürnberg


Pressemitteilung als PDF zum Download

Radrennbahn als Biotop und Denkmal schützen!